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11.09.2019

Stationärer Einzelhandel im Wandel: Dr. Philipp Sepehr über das Joint Venture mit OTTO

Eine Brücke zwischen Online und Offline schlagen und Einkaufswelten vernetzen: Gemeinsam mit OTTO startete die ECE Anfang August eine einzigartige, kanalübergreifende Verbindung zwischen Stationär- und Onlinehandel. Dr. Philipp Sepehr leitet als Chief Digital Officer der ECE die neu gegründete „Digital Innovation & Analytics“-Einheit des Unternehmens. Im Interview verrät der 36-Jährige wie es zur Zusammenarbeit mit OTTO kam, welche Rolle die von der ECE entwickelte Digital Mall spielt und was ein Eishockeyschläger damit zu tun hat.
 
Philipp, warum hat sich die ECE zur Kooperation mit OTTO entschieden?

Das größte stationäre Shopping-Netzwerk und den zweitgrößten Onlinehändler Deutschlands miteinander zu verbinden, liegt eigentlich auf der Hand – selbstverständlich auch aufgrund der engen Verbindung der beiden Unternehmen, die beide der Familie OTTO gehören. Als wir vor einigen Jahren die Digital Mall als kleinen Online Shop starteten, waren wir natürlich auch mit OTTO im Gespräch. Gemeinsam überlegten wir, wie wir dieses Projekt für beide Unternehmen nutzbar machen können, so dass die ECE von der OTTO-Expertise und OTTO von den zahlreichen Kontakten der ECE zum stationären Handel profitiert.

Trotzdem hat es ja eine Weile bis zu diesem großen Schritt gedauert. Warum fiel der Entschluss dazu nicht schon vor Jahren?

Das hat technologische Ursachen. Wir sprechen vom Hockey Stick-Effekt: Eine technologische Entwicklung dümpelt lange vor sich hin, bis sie plötzlich eine sprunghafte Entwicklung nimmt. Dieser technische Fortschritt erinnert im Kurvenverlauf an die Form eines Hockeyschlägers. Diese Tendenz sehen wir auch bei der technologischen Entwicklung im Stationären Handel. Dieser schafft jetzt die Voraussetzungen, um ihren Produktdatenbestand inkl. lokaler Verfügbarkeiten an Online-Marktplätze anzuschließen. Das war vor einigen Jahren noch nicht der Fall, weshalb ein Joint Venture damals keinen Erfolg gehabt hätte.

Was bringen die beiden Unternehmen in die Zusammenarbeit ein?

Die ECE ist stark im stationären Handel verwurzelt und bringt sehr gute persönliche Kontakte zu den rund 10.000 Stores allein in den Deutschen Shopping Centern mit. Durch unser großes Netzwerk profitieren wir zudem von der Nähe zu den Endkunden: 60 Prozent der Bevölkerung erreichen in maximal 30 Minuten ein ECE-Center und knapp 80 Prozent in 45 Minuten. Diesen einmaligen Wettbewerbsvorteil kann man nicht nachbauen. OTTO bringt als zweitgrößter Onlinehändler Deutschlands natürlich eine unglaubliche Online-Reichweite und außergewöhnlich gutes technisches Know-how ein.

Und was verspricht sich die ECE von der Zusammenarbeit?

Immer mehr Menschen kaufen online. Das ist eine Marktgegebenheit. Mit unseren Shopping Centern wollen wir an dieser Marktentwicklung partizipieren. Lange konnten wir im Center ein tolles Kauferlebnis ermöglichen, vorher und nachher, aber keine Berührungspunkte zu den Produkten bieten. Indem wir die im Center verfügbaren Produkte online sichtbar machen, brechen wir diese „Black Box“ erstmals auf. Zudem generieren wir durch die Kooperation mit OTTO eine unfassbare Reichweite und gewinnen Neukunden. Wer zum Beispiel auf otto.de nach einem Produkt sucht und sieht, dass selbiges im nächsten Center verfügbar ist, entscheidet sich möglicherweise für einen spontanen Centerbesuch. So können wir Online-Reichweite in zusätzliche Frequenz und Umsatz im Center konvertieren.

Im Rahmen der Kooperation spielt ja auch die Digital Mall der ECE ein wichtige Rolle.

Richtig. Die Technik hinter der Digital Mall ist die Basis der Kooperation mit otto.de und perspektivisch mit anderen Plattformen.

Und wofür kann ich als Endkunde die Digital Mall nutzen?

Die Digital Mall zeigt verfügbare Produkte in den Centern an. Waren können reserviert und perspektivisch auch online gekauft werden. Bisher waren die Online-Kanäle der ECE Center lediglich mit Informationen zu Öffnungszeiten und Shops bestückt. Wer allerdings nach der Verfügbarkeit von Produkten suchte, blieb enttäuscht zurück. Die Digital Mall bricht dies auf.

Wie benutze ich die Digital Mall?

Einfach auf der Website des nächsten bereits angeschlossenen Einkaufszentrums oder der jeweiligen Center-App nach den gewünschten Produkten suchen.

Die Reservierungsfunktion ist jetzt schon für alle User möglich?

Richtig. Bei über 70 Prozent der teilnehmenden Shops können Nutzer schon jetzt Produkte reservieren. Einige Shops warten zunächst einmal ab, bevor sie diese Funktion freischalten, weil das natürlich in die Prozesse der Stores eingreift.

Wie viele Partner sind denn schon dabei?

Bei der Digital Mall kooperieren wir inzwischen mit über 50 Partnern und bieten den Service in 18 Centern an. Über 1,2 Mio. Artikel in knapp 200 Stores sind zur Zeit verfügbar. Bis zum Ende dieses Jahres wollen wir 35 Center und rund 1.000 Stores angeschlossen haben.

Für das Joint Venture der ECE und OTTO wurde die Stocksquare GmbH & Co KG gegründet. Warum war das notwendig?

Stocksquare ist ein 50/50 Joint Venture zwischen der ECE und OTTO. Gegründet wurde sie, um einen offenen, neutralen Standard zu ermöglichen. Sie ist sozusagen die technische und organisatorische Datendrehscheibe zwischen den stationären Händlern und den Online-Plattformen. Perspektivisch wollen wir über das ECE-OTTO-Konstrukt hinaus auch stationäre Händler außerhalb von ECE-Centern und Online-Marktplätze außerhalb der Otto Group oder unserer Digital Mall anschließen.

Wie geht es jetzt weiter? Welche Schritte plant Ihr als nächstes?

Zum einen wollen wir zusätzliche Partner gewinnen und weitere Stores anbinden. Zum anderen entwickeln wir das Produkt stärker in Richtung Umsatz und Transaktionsmöglichkeiten. Das umfasst im nächsten Schritt die Funktion Click und Collect, die den Kauf von Produkten direkt über die Plattform ermöglicht. In der letzten Ausbaustufe planen wir Ship from Store. Kunden profitieren dann von taggleicher oder sogar stundengleicher Lieferung.

Kann das nicht dazu führen, dass perspektivisch immer weniger Kunden im Center shoppen?

Nein. Das Gegenteil ist der Fall. Kunden suchen und kaufen Produkte immer häufiger online. Wir entsprechen diesem veränderten Kundenverhalten, indem wir unsere stationären Produkte online sichtbar machen. So wandeln wir online Reichweite in zusätzliche Frequenzen im Center, können Zusatzumsätze generieren und stärken so den stationären Handel.

Du leitest den Mitte vergangenen Jahres gegründeten Bereich „Digital Innovation & Analytics“ – kurz Digital Unit – bei der ECE. Was ist Eure Aufgabe?

Schon vor der Gründung der Digital Unit zeichnete sich die ECE durch zahlreiche digitale Initiativen aus. Um das Thema Digitalisierung und digitale Innovationen aber organisiert anzugehen, wurde die Digital Unit gegründet. In der Digital Unit bilden wir ergänzend und in Zusammenarbeit mit der IT einen Anlaufpunkt mit klarer Verantwortung für die Digitalthemen. Da wir keinem Geschäftsbereich angehören, sondern direkt unserem CEO unterstehen, sind wir analog der IT neutral und für die gesamte ECE gleichermaßen verantwortlich.

Was macht Ihr konkret?

Wir evaluieren beispielsweise bestimmte Technologien für einen Einsatz bei der ECE und treiben, gemeinsam mit den Fachbereichen, digitale Innovationen voran. Im Erfolgsfall wandeln wir diese in ein langfristiges Produkt. Die Digital Mall ist so ein Beispiel. Sie schaffte den Sprung von einem Proof of Concept in ein neues Geschäftsmodell der ECE. Jetzt wo die Unit vollständig aufgebaut ist, gehen wir weitere Projekte an. Wir arbeiten dabei eng mit der IT zusammen und möchten gemeinsam weitere wertstiftende digitale Innovationen für die ECE identifizieren. Einige Beispiele sind das Mieterportal, CRM zur Gewinnung von Kunden Insights, Customer Tracking, Digital Twin oder Datenanalysen im Bereich Parken.

ECE Redaktionsteam

Unser Redaktionsteam berichtet über Wissenswertes in und aus der ECE und liefert über die Unternehmenskanäle aktuelle Informationen rund um unsere Immobilienprojekte. Darüber hinaus befassen wir uns intensiv mit Trends und Entwicklungen aus den Bereichen Marketplaces und Work & Live. In unserem Blog geben wir unseren Experten eine Stimme und liefern interessante Einblicke in Themen, die uns bewegen.