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05.11.2020

Green Deal: Auswirkungen auf die Immobilienbranche

Nachhaltigkeit ist eines der wichtigsten Zukunftsthemen – auch in der Immobilienwirtschaft. Maria Hill, Director Sustainability & Corporate Communications bei der ECE spricht über Nachhaltigkeit in Zeiten von Corona, über den Green Deal der Europäischen Union und die Rolle Erneuerbarer Energien.

Was ist der Green Deal?

Mit EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen haben wir eine Frau an der Spitze Europas, die mit dem Green Deal das Thema Nachhaltigkeit ganz nach vorne bringt – trotz der anhaltenden Corona-Pandemie. Das von der Kommissionschefin vorgestellte Konzept des Green Deal hat das Ziel, die Netto-Emissionen von Treibhausgasen in der EU bis 2050 auf null zu reduzieren und somit als erster Kontinent klimaneutral zu werden. Dazu gehört auch die Nachhaltigkeit im Finanzsystem: Wie kriege ich die Finanzströme in Richtung Nachhaltigkeit gelenkt? Übertragen auf die Immobilienwirtschaft: Wie lenke ich die Gelder zum Beispiel in Richtung nachhaltige Sanierung von Bestandsgebäuden? Denn der Bestand ist das größte Problem. Über ein Drittel der bundesweiten CO2-Emissionen entfällt auf den Betrieb von Gebäuden. Das ist das Thema Nummer eins: Wie reduziere ich den CO2-Ausstoß im Bereich der Bestandsimmobilien?

Energetischer Sanierungsfahrplan 

Hierfür werden wir bei der ECE einen energetischen Sanierungsfahrplan erstellen. Daran arbeiten unsere Kollegen aus dem Facility Management, aus Architecture & Construction und aus dem Nachhaltigkeitsteam gemeinsam mit der Universität Dresden. Pilotprojekt wird das Alstertal-Einkaufszentrum (AEZ) in Hamburg sein. Ziel ist es, eine Art Blaupause zu erstellen mit Maßnahmen, wie wir Bestandscenter in Richtung energetische Sanierung bringen können.

Wie kann der CO2-Ausstoß bei Bestandsgebäuden reduziert werden?

Der Schlüssel ist die Steigerung der Energieeffizienz von Immobilien. Und eine vernünftige Anrechenbarkeit von zertifiziertem Ökostrom sowie Biogas. Die Energieeffizienz steigern wir im Wesentlichen durch die Reduzierung der durch Wärme, Kühlung, Lüftung und Licht oder elektrische Energie verursachten Verbräuche. Bei der ECE sind wir ständig dabei, unsere Immobilien immer effizienter zu gestalten: neue Lichtkonzepte, neue Belüftungskonzepte – beim Austausch bauen wir immer die neuesten Geräte mit den höheren Effizienzklassen ein. Außerdem versorgen wir unsere Center zu 100 Prozent mit Ökostrom. All das machen wir jetzt schon. Aber die Frage ist das Big Picture. Wie erreichen wir die von der europäischen und nationalen Politik vorgegebenen Ziele? Das heißt: Wo muss unsere Immobilie eigentlich sein – 2030 beim Zwischenziel oder 2050?

Blockheizkraftwerk  für ECE-Campus und AEZ

Gleichzeitig schauen wir uns gerade das Thema Wärme sehr genau an, insbesondere Fernwärme. Wir werden hier am Standort in Hamburg, am Campus und für das Alstertal-Einkaufszentrum, ein Blockheizkraftwerk bauen, das mit Biogas betrieben wird. So sparen wir ca. 1.400 Tonnen CO2 pro Jahr zusätzlich ein. Das ist für uns ein wichtiger Pilot. Natürlich spielt dabei auch die CO2-Bepreisung eine bedeutende Rolle. Hier greifen Ökologie und Ökonomie ineinander.

Baulösungen mit Cradle to Cradle 

Ein weiterer Ansatz, den wir in diesem Zusammenhang verfolgen, ist Cradle to Cradle – also die nachhaltige Kreislaufwirtschaft ohne Müll. Cradle-to-Cradle-Produkte sollen bei uns bevorzugt mit einbezogen werden. Allerdings sind sie noch nicht in entsprechender Vielfalt verfügbar. Wichtig ist es, Kompetenzen im Bereich der nachhaltigen Baulösungen aufzubauen – mit Mitarbeitern, die sich um Fragen wie Cradle to Cradle kümmern.

Smarte Gebäudeplanung fördert Elektromobilitäts-Konzepte

Angesichts der zunehmenden Urbanisierung wachsen natürlich auch die Verkehrs- und Emissionsprobleme in den Ballungszentren. Diese Entwicklung spielt bei unseren Planungen immer eine wichtige Rolle. Deshalb entwickeln wir intelligente und nachhaltige Mobilitätskonzepte individuell für jede Immobilie. Hierbei sind – neben einer guten Anbindung an den ÖPNV – insbesondere der Aufbau von Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge, Car- und Bike-Sharing-Lösungen sowie Infrastruktur für Fahrräder und E-Bikes von zentraler Bedeutung.

Shopping-Center helfen beim Ausbau der E-Ladeinfrastruktur

Noch vor zehn Jahren ist kaum jemand mit einem E-Fahrzeug gefahren. Das hat sich inzwischen geändert. Wir haben wertvolles Know-how ins Unternehmen gebracht und entwickeln es immer weiter. So gibt es bei uns ein Handbuch zum Ausbau der E-Ladeinfrastruktur für unsere Center: Wo baue ich die Stellplätze hin? Was sind die Kosten? Welche Betreibermodelle gibt es? Inzwischen verfügen wir allein in Deutschland in 53 Centern über insgesamt 283 Ladepunkte. Unser Ziel ist es, bis 2025 alle unsere Center europaweit mit Ladestationen auszustatten. Auch für unsere Mitarbeiter am ECE-Campus in Hamburg haben wir bereits 72 Stellplätze für E-Autos komplett mit E-Ladeinfrastruktur ausgestattet.

Pilotprojekt: Nachhaltige Fassade verhindert Smog

Darüber hinaus testet die ECE gerade eine Textilfassade, die Stickoxide bindet. Unsere Anti-NOx-Fassade an unserem ECE-Campus ist im Februar in Betrieb gegangen. Sie bindet schädliche Stickoxide. Aus ihnen wird Nitrat, also ein Düngemittel, das mit dem Regenwasser in den Boden gespült wird. Die Mengen sind aber so gering, dass es zu keinen schädlichen Überkonzentrationen kommt. Ein zweiter wichtiger Aspekt sind die Menschen, die hinter dieser Fassade sitzen. Wie viele der Stickoxide gelangen durch die Fassade ins Gebäude und werden eingeatmet? Auch hier sieht es bisher sehr positiv aus. Das Dritte ist die Kühllast. Die neuartige Gebäudehülle kann im Sommer bis zu 80 Prozent der solaren Kühllasten reduzieren. Das ist ein echtes Zukunftsthema. Durch den Klimawandel wird es ja immer wärmer. Das heißt, wir müssen immer mehr kühlen. Kühlen bedeutet Energie. Energie bedeutet CO2-Ausstoß.

Wir treiben den Einkauf Erneuerbarer Energien voran

Bei den erneuerbaren Energeien gibt es im wesentlichen Photovoltaik, Windkraft und Geothermie. Wir prüfen bei jedem Projekt, was davon in Frage kommen könnte. Windkrafträder haben für unsere Immobilien in der Regel keine Relevanz. Außerdem verursachen sie unerwünschte Vibrationen. Bei der Photovoltaik ist die sogenannte Gewerbesteuerschädlichkeit ein riesiges Thema für die gesamte Industrie. Das bedeutet nämlich: Für Mieteinnahmen zahle ich keine Gewerbesteuer. Sobald ich aber eine Nebeneinnahme habe, muss ich für die komplette Miete Gewerbesteuer zahlen. Auf diese Weise wird natürlich der Ausbau der Photovoltaik nicht gerade gefördert. Und auch Geothermie hat keine signifikante Bedeutung. Zusammenfassend kann man sagen: Was an Erneuerbaren Energien für eine Immobilie in Frage kommt, ist sehr beschränkt. Deshalb treiben wir den Einkauf von Erneuerbaren Energien voran – sei es im Wärme- oder im Strombereich. Außerdem wollen wir ehrlich sein und kein „Greenwashing“ betreiben. Uns geht es darum, guten zertifizierten Ökostrom und Biogas einzukaufen.

Um die Klimaziele zu erreichen und um praxisnahe Maßnahmen mitzugestalten, engagieren wir uns im Dialog mit der Politik in verschiedenen Verbänden. In den Ausschüssen können wir der Politik aus der Praxis berichten. Dabei sind wir immer an Lösungen orientiert. Die Frage lautet: Wie kriegen wir die richtigen politischen Ziele auch in der Praxis umgesetzt. Die Immobilienwirtschaft hat schon eine Menge geschafft. Die „Low-hanging Fruits“ haben wir bereits abgegriffen. Jetzt geht es darum, den nächsten Batzen zu schaffen. Und das wird ein verdammt harter Brocken, der ohne entsprechende Förderung nicht zu schaffen sein wird.

Maria Hill

Maria Hill hat Betriebswirtschaftslehre studiert und ist seit 2003 bei der ECE tätig. Dort hat sie in verschiedenen Funktionen den Auf- und Ausbau der Nachhaltigkeit im Unternehmen verantwortet. Parallel dazu war Maria Hill u.a. Ausschussvorsitzende Sustainability im International Council of Shopping Centers (ICSC) und ist seit drei Jahren Ausschussvorsitzende Energie- und Gebäudetechnik im Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA).